Landesausbau – Integration und Assimilation
(11./12. Jahrhundert)
Veränderte Siedlungsstrukturen durch die Ostsiedlung
Nach zahlreichen Kriegen folgte ab dem Jahr 1100 eine Zeit der friedlichen Integration durch Siedlungsbewegungen deutscher Bauern. Die Kolonisation durch deutsche Bauern baute nicht auf die Vertreibung der sorbischen Einwohner. Entweder entstanden völlig neue deutsche Dörfer oder bestehende slawische Siedlungen wurden erweitert. Die Mark Meißen wurde ebenso von Deutschen besiedelt wie die Mark Brandenburg, auch in Siebenbürgen, in Pommern und Schlesien wurden neue Siedlungen gegründet.
Da es in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vor allem sorbische Bauern waren, die den inneren Landesausbau betrieben, stabilisierte sich die sorbische Kultur und das sorbische Sprachgebiet in den Lausitzen. Erst Mitte des 12. Jahrhunderts kamen vermehrt deutsche Bauern ins Land; rodeten große Waldgebiete und gründeten neue Dörfer. Diese Wertsteigerung ihrer Ländereien belohnten die Adligen oft mit der Überschreibung der Höfe als Erbgut.
Veränderte Rechtsstrukturen durch die Ostsiedlung
Die deutschen Kolonisten zahlten für ihre Erbgüter niedrige Zinsen an die Lehnsherren, die sorbischen Bauern blieben Leibeigene mit weniger Land und weniger Rechten. Beispielweise richtete sich das deutsche Steuersystem nach der tatsächlichen Ernte, im slawischen Recht aber galt der Zehnt als Fixsteuer, die sich nach der Dorfgröße richtete. Das sächsische Recht war für die Bauern wesentlich günstiger als das alte slawische. Wer aber das Recht der Einwanderer annehmen wollte, musste auch deren Sprache annehmen. Die sorbische Sprache wurde weitgehend verdrängt, mancherorts sogar vor Gericht verboten. Viele Sorben wurden aus rechtlichen Gründen deutschsprachig, die Lausitzen blieben aber durch eine hohe sorbische Einwanderungszahl bis zum Dreißigjährigen Krieg slawische Sprachinseln. Auf die sorbische Überzahl reagierten die Markgrafen in manchen Gegenden mit Verboten und Beschränkungen, wie zum Beispiel einer Deutschtumsverordnung. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste bekannte sorbische Schrift, der Bürgereid aus Bautzen. Erst im 16. Jahrhundert hoben viele Markgrafen bestehende Einschränkungen für die Sorben wieder auf.
Veränderte Landwirtschaft und verändertes Land durch die Ostsiedlung
Die Neuerungen der westlichen Landwirtschaft wurden im Zuge des Landesausbaus auch in den Osten gebracht. Neue landwirtschaftliche Anbaumethoden und modernere Geräte veränderte das Leben der Bauern nachhaltig. Große Wald- und Sumpfgebiete wurden während der Ostsiedlung trockengelegt oder gerodet, in Ackerland umgewandelt und in „Hufen“ vermessen. Die Hufenverfassung führte zur Entstehung neuer Dorftypen, wie zum Beispiel dem Hagenhufendorf oder dem Waldhufendorf, im Gegensatz zu den alten slawischen Rundlingsdörfern. Die sorbischen Ortsnamen wurden übernommen oder mit deutschen Bezeichnungen gemischt, wie Endungen auf -ow, -vitz oder –witz oft zeigen.